Die 33 Mysterien der Kathedrale von Chartres

1 . Bischof Fulbert

 

Die  Bronzefigur  auf  dem Vorplatz  der Kathedrale gegenüber dem  Königsportal vermittelt  dem  Betrachter den Eindruck von einem gequälten Menschen 

 

 

und man

mag sich fragen, weshalb

der Bildhauer, Bernard Damiano, Bischof Fulbert so dargestellt hat.

IHN,

den einflussreichen Bischof,

auf den maßgeblich der Wiederaufbau der Kathedrale

und auch deren Reputation

in der 

christlichen Welt zurückzuführen ist; 

IHN,

den Sokrates des Mittelalters;

 

IHN,

der  in der Hagiographie üblicherweise

als großer

Gelehrter , als weiser Lehrer,

als stattlicher

Kirchenfürst und Mann des Friedens, glatt, 

schön und

imposant gezeigt wird. 

Nun, Damiano

zeigt uns den wahren Fulbert ,

einen in  der Tat gequälten Mann

mit  einem kreidebleichen, 

hageren Gesicht

und geschwollenen,

fast

wulstigen Augen.

 

Einen Mann, der von einer schlimmen, schmerzhaften,  fast unheilbaren Krankheit gezeichnet war, dem sogenannten " Antoniusfeuer ".  

 

Man  muss sich mal vorstellen, in dem öffentlichen Amt eines Bischofs

ständig mit schmerzhaften Krämpfen,

Durchfällen, 

Erbrechen und gar 

mit Halluzinationen geplagt zu sein ..... das ist nicht so einfach ,  

das bleibt auch nicht lange im   Verborgenen.

Hinzu kam,

dass man ihm dadurch auch Misstrauen entgegen

brachte,

der Teufel hätte ja seine Finger mit im Spiel haben können.

 

 

Zu der damaligen Zeit wurde einem schnell was nachgesagt und man landete schnell mal auf dem Scheiterhaufen - auch für weniger aufregende Dinge. 

 

Nun war  Fulbert aber 

nicht irgendwer.

Er galt als der gelehrteste

Mann des Jahrhunderts,

durch seine Lehrtätigkeit zählte die Kathedralschule

von Chartres zu den

berühmtesten seiner Zeit.

Er war Berater

von  Prinzen und

Königen, also ein

einflussreicher

und bedeutender

Mann.

Er war der Vorzeigebischof

schlechthin, galt als integer und gewissenhaft, auch  das war damals

bei weitem nicht bei Jedermann,

auch nicht seines Ranges,  der Fall.

Es galt seinen guten Ruf

zu verteidigen.

Man konnte nicht zulassen,

dass das Bild der Heiligen Kirche in Schieflage geriet. 

Er schuftete wie der Leibhaftige,

um genügend Spendengelder

für die Finanzierung der

neuen Basilika, von der heute

noch die Krypta zu sehen ist, zusammenzubringen.  

 

Er verstand es die Gönner und Sponsoren bei der Stange zu halten. 

 

 

Böswillige Gerüchte konnte man keinesfalls gebrauchen, das hätte sicher auch zu einer geringeren Spendenbereitschaft geführt und, die Kathedrale war noch nicht vollendet.  Man mußte sich etwas einfallen lassen.

 

Gemeinsam mit Fulbert wurde

beratschlagt.

Schlussendlich entschied man sich

für die spektakulärste Geschichte,

frei nach dem Motto: 

- Je dicker man aufträgt,

um so wahrer wird es - und

verbreitete die Nachricht:

"Die Jungfrau Maria sei

höchstpersönlich vom

Himmel herabgestiegen

und habe Fulbert

ein paar Tropfen ihrer Milch

auf seine Lippen geträufelt

und ihn so von seiner Krankheit geheilt".

Und schon war eine Legende geboren

und wurde auf das Kirchenfenster

geschrieben. 

Fulbert’s  Krankheit ist heute

unter dem wissenschaftlichen  Namen

"Ergotismus" bekannt.

Es handelt sich

um eine Vergiftung infolge  

des  Verzehrs von Roggen, 

der mit  dem Mutterkornpilz

verunreinigt war.

Im Mittelalter aß man eher

Roggen-  als Weizenbrot. 

 

Es kam nicht selten vor,

dass schon die Getreideernte

im Sommer ihre Opfer forderte. 

Wer nicht verrückt  wurde

oder auf dem Friedhof landete,

versuchte es

mit einer Pilgerfahrt nach

St. Antonius im Isere.

 Dort gab es keinen 

Getreideanbau und die Kranken wurden  

schnell gesund. 

 

Man schob die wundersame Heilung  aber natürlich der Intervention des

Heiligen Antonius zu.